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Schwb-Vertretungen

Die Neuregelungen im Recht der Schwerbehindertenvertretungen

I. Stand der Gesetzgebung

Der Bundestag hat am 01.12.2016 das Bundesteilhabegesetz in zweiter und dritter Beratung beschlossen.1 Der Gesetzesbeschluss ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von „Die Linke“ bei Enthaltung von „Bündnis 90/Die Grünen“ gefasst worden.2 Gegenstand der Beschlussfassung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 05.09.20163, zu dem der zuständige Ausschuss für Arbeit und Soziales am 30.11.2016 eine abändernde Beschlussempfehlung4 vorgelegt hatte. Der Beschlussempfehlung lag der von den Koalitionsfraktionen am 29.11.2016 gestellte und vom Ausschuss übernommene Änderungsantrag5 zugrunde. Mit der Zustimmung des Bundesrats ist zu rechnen. Dieser beschleunigt sein Verfahren. Die 871. Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Integration und Sozialpolitik ist bereits für den 07.12.2016 mit der Tagesordnung „Bundesteilhabegesetz (BTHG)“ anberaumt.6 Für das Plenum des Bundesrats ist am 16.12.2016 eine Sitzung geplant.

II. Rechtspolitischer Hintergrund

Schwerpunkt des Artikelgesetzes ist die in Art. 1 geregelte Eingliederungshilfe. Sie wird aus dem „Fürsorgesystem“ der Sozialhilfe herausgelöst und in das reformierte SGB IX als neuer Teil 2 integriert. Fachleistungen der Eingliederungshilfe sollen künftig klar von den Leistungen zum Lebensunterhalt getrennt und finanziert werden. Verbunden ist damit die Erhöhung der Vermögensfreibeträge und der Befreiung der Ehe- und Lebenspartner aus der Finanzierungspflicht. Die damit verbundenen Rechtsfragen waren so heftig umstritten, dass Selbsthilfegruppen mehrfach öffentlichkeitswirksame Protestaktionen organisierten. Weniger von den Medien wurden die Aktionen der Sprecher der Schwerbehindertenvertretungen wahrgenommen, die sich mit ihrer „Kölner Erklärung“7 insbesondere für die Sicherstellung des gesetzlichen Informations- und Anhörungsrechts der Schwerbehindertenvertretungen einsetzten. Der Protest gegen den vom Ministerium für Arbeit und Soziales ausgearbeiteten Entwurf war so stark, dass sich die Abgeordneten der Koalition zwei Tage vor dem Gesetzesbeschluss noch veranlasst sahen, mit 68 Änderungsanträgen8 darauf zu reagieren.

III. Gestuftes Inkrafttreten

Art. 26 des Gesetzes sieht ein gestuftes Inkrafttreten und Außerkrafttreten vor. Art. 1 des Gesetzes enthält die Reform des SGB IX. Diese tritt am 01.01.2018 in Kraft. Gleichzeitig tritt das alte SGB IX außer Kraft. Für die Übergangszeit bis zum 01.01.2018 ist in Art. 2 ein Vorschaltgesetz zur Reform geschaffen worden. Art. 2 enthält bereits die inhaltlichen Änderungen, die ab 2018 der Stärkung der Rechtsstellung der Schwerbehindertenvertretung dienen sollen. Diese Änderungen treten jedoch bereits am Tag nach der Verkündung des Artikelgesetzes, wahrscheinlich gegen Ende Dezember 2016 oder Anfang 2017, in Kraft. 2018 erfolgt für diesen Regelungsbereich keine inhaltliche Änderung. Die inhaltliche Änderung tritt schon nach Verkündung des Gesetzes 2016 oder 2017 ein. 2018 ändert sich im Prinzip nur die Nummernfolge der Paragrafen. Bis Ende 2017 bleiben die „alten“ Nummern der §§ 68 bis 160 aus dem im Teil 2 des SGB IX zusammengefassten Schwerbehindertenrecht bestehen, wenn auch mit neuem Inhalt. Ab dem 01.01.2018 findet dann eine Verschiebung statt; denn dann bildet die im Rahmen der Reform neu eingefügte Eingliederungshilfe mit den „Besonderen Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ den Teil 2, und das Schwerbehindertenrecht wird zum Teil 3 des SGB IX. Der Standort der Bestimmungen des Schwerbehindertenrechts wird dadurch verschoben. Das Schwerbehindertenrecht beginnt somit ab 2018 bei § 151 SGB IX. Diese Regelungstechnik führt zu einem erheblichen Mehraufwand für die Anwender des Schwerbehindertenrechts; denn die alten Gesetzestexte sind dann – trotz gleichbleibenden Inhalts – nur noch mit großer Mühe zu nutzen.

IV. Die wesentlichen Änderungen

  1. Inklusionsvereinbarung

In § 83 SGB IX wird die Bezeichnung in der Überschrift „Integrationsvereinbarung“ durch „Inklusionsvereinbarung“ ersetzt. Das Integrationsamt erhält die Aufgabe, als Moderator an den Verhandlungen zwischen Arbeitgeber, Personal-, Betriebsrat, Arbeitgeberbeauftragten und SBV teilzunehmen. Dazu wird in § 83 Abs. 1 SGB IX nach Satz 4 angefügt: „Das Integrationsamt soll dabei insbesondere darauf hinwirken, dass unterschiedliche Auffassungen überwunden werden.“

Damit wird nicht nur eine Befugnis, sondern auch eine Pflicht des Integrationsamts begründet. Es muss dann, wenn die unterschiedlichen Positionen eine Einigung verhindern, auf Bitten eines Beteiligten vermittelnd tätig werden. Allerdings fehlt der Einigungszwang, wie er im Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht von der Einigungsstelle ausgeht. Die in § 83 Abs. 2 Satz 1 SGB IX enthaltene Beschreibung der Inklusionsvereinbarung als Zielvereinbarung wird durch die Anfügung ergänzt: „Dabei ist die gleichberechtigte Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben bei der Gestaltung von Arbeitsprozessen und Rahmenbedingungen von Anfang an zu berücksichtigen.“ Damit wird die Bedeutung der Einbeziehung der Betroffenen bereits bei der Planung der behinderungsgerechten Arbeitsbedingungen hervorgehoben.

2. Neuregelung des Vertretungsfalles

In § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX werden die Wörter „durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben“ gestrichen. Der konsolidierte Text der Norm lautet dann mit Kennzeichnung der Änderung durch Kursivsetzung: „In Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, werden eine Vertrauensperson und wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt, das die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung vertritt.“

Durch die Streichung der einschränkenden Gründe soll auch eine Vertretung durch ein stellvertretendes Mitglied in den Fällen vorgeschrieben werden, in denen die Vertrauensperson befangen sein könnte. Damit wird eine Entscheidung des BAG aus 2013 korrigiert. Das BAG hatte damals nämlich wegen der fehlenden Entscheidungsbefugnis der Schwerbehindertenvertretung erkannt: „Erwägungen der Gesetzessystematik (sprechen) gegen eine ‚Befangenheit‘ der Schwerbehindertenvertretung im Rechtssinn“.9 Deshalb hatte das BAG im Streitfall den Einwand eines Arbeitgebers zurückgewiesen, er sei von seiner Verpflichtung entbunden gewesen, die Vertrauensperson nach § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht zu unterrichten, weil diese wegen einer eigenen Bewerbung befangen gewesen sei. Die Neuregelung entspricht der betriebsverfassungsrechtlichen Verhinderungsregelung.

3. Übergangsmandat

Dem § 94 SGB IX wird der Abs. 8 angehängt: „In Betrieben gilt § 21a BetrVG entsprechend.“ In der amtlichen Begründung heißt es dazu: „Durch diese Ergänzung wird in Betrieben ein Übergangsmandat auch für die Schwerbehindertenvertretung geschaffen. Für Arbeitgeber, die nicht unter den Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes fallen, also insbesondere im öffentlichen (und kirchlichen)10 Dienst, kommt es nicht zu einem Übergangsmandat der Schwerbehindertenvertretung.“

Einen Grund dafür, dass für die kirchlichen Einrichtungen und für den öffentlichen Dienst kein Bedarf besteht, während der schwierigen Zeit der Umstrukturierung ohne Übergangsvertretung auskommen zu müssen, geben die ministerialen Verfasser der Begründung nicht an. Diesen gibt es auch nicht. Es handelt sich um eine bewusst in Kauf genommene Schlechterstellung eines Teils der schwerbehinderten Beschäftigten. Grund dafür dürfte wohl die Komplexität der Regelungsaufgabe sein, die zurückschrecken ließ.

4. Heranziehung von stellvertretenden Mitgliedern

§ 95 Abs. 1 Sätze 4 bis 6 SGB IX wird neu gefasst: „In Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann sie nach Unterrichtung des Arbeitgebers das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen. Ab jeweils 100 weiteren beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann auch das mit der nächsthöheren Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied herangezogen werden. Die Heranziehung zu bestimmten Aufgaben schließt die Abstimmung untereinander ein.“

Mit dieser Gesetzesfassung wird die Ansicht des Siebten Senats des BAG korrigiert, nach der die Heranziehung weiterer stellvertretender Mitglieder nicht vorgesehen sei.11 Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass eine Staffelung gewollt ist. Bei jedem Überschreiten des Schwellenwerts (ab jeweils 100 weiteren beschäftigten schwerbehinderten Menschen) kann ein weiteres stellvertretendes Mitglied zu Entlastung der Vertrauensperson herangezogen werden. Beispiel: Der Betrieb zählt 301 schwerbehinderte und gleichgestellte Beschäftigte. Dann kann die Vertrauensperson ab 101 das erste, ab 201 das zweite und ab 301 das dritte stellvertretende Mitglied heranziehen. Voraussetzung ist jedoch, dass eine genügende Anzahl von Stellvertretern gewählt worden sind. Ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, entscheidet allein die durch ihre Wahl legitimierte Vertrauensperson. Sie bedarf keiner Zustimmung oder Genehmigung durch den Arbeitgeber. Sie muss nur vorher den Arbeitgeber unterrichten. Diese Pflicht entspricht dem Gebot der engen Zusammenarbeit nach § 99 Abs. 1 SGB IX.

5. Unwirksamkeitsklausel

In § 95 Abs. 2 SGB IX wird als Satz 3 eingefügt: „Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam.“

Mit der Einfügung werden die Rechtsfolgen einer unterlassenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung geregelt. Damit nimmt der Gesetzgeber auch hier seine rechtspolitische Korrekturaufgabe wahr. Der Zweite Senat hatte der Ansicht der Nipperdey-Schule12 folgend den Rechtsatz aufgestellt: „Die Kündigung eines Schwerbehinderten, die ein Arbeitgeber ausspricht, ohne zuvor nach § 22 Abs. 2, § 24 Abs. 5 SchwbG den Vertrauensmann oder den Gesamtvertrauensmann der Schwerbehinderten unterrichtet und angehört zu haben, ist aus diesem Grunde weder wegen Fehlens einer Wirksamkeitsvoraussetzung noch wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB i.V.m. § 65 Abs. 1 Nr. 8 SchwbG) unwirksam.“13

Der Gesetzgeber hat nach 33 Jahren Wartezeit diesem Rechtssatz endlich die rechtspolitische Zustimmung verweigert. Hier zeigt sich der berühmte „Federstrich des Gesetzgebers“14. Er bewirkt: „… ganze Bibliotheken werden zu Makulatur“.15 Der Bundestag hat auf eine Prüfbitte des Bundesrats16 klargestellt, dass die Verletzung des Unterrichtungs- und Anhörungsrechts der Schwerbehindertenvertretung aus § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht ohne arbeitsrechtliche Sanktion für den rechtsbrechenden Arbeitgeber bleiben darf, sondern zu dessen Lasten bei einer Kündigung die Rechtsfolge aus § 134 BGB eintreten soll.

In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, dass der Ausschuss in seiner Begründung aufzeigt, welche prozessualen Möglichkeiten die Schwerbehindertenvertretung hat, ihr gesetzliches Unterrichtungs- und Anhörungsrecht zu sichern. Der Ausschuss führt dazu aus: „Grundsätzlich gilt hier: … Zur Durchsetzung dieses Beteiligungsanspruchs kann die Schwerbehindertenvertretung das Arbeitsgericht anrufen (vergleiche § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG). Dort kann sie – gegebenenfalls im Wege der einstweiligen Verfügung – geltend machen, die Durchführung oder Vollziehung der Entscheidung auszusetzen, bis die Beteiligung nachgeholt ist. Ein entsprechender Beschluss des Arbeitsgerichts kann Grundlage für eine gerichtliche Vollstreckung sein. Zuwiderhandlungen seitens des Arbeitgebers können Ordnungsgelder von bis zu 250 000 Euro nach sich ziehen (§ 85 Absatz 1 Arbeitsgerichtsgesetz i.V.m. § 890 Absatz 1 Zivilprozessordnung).“17

Demgegenüber haben einige Instanzgerichte die Auffassung vertreten, ein allgemeiner Unterlassungsanspruch mit der Möglichkeit, Ordnungsgeld zu beantragen. scheide aus. Ein solcher Anspruch fehle im SGB IX. Er sei bewusst vom Gesetzgeber nur im § 23 Abs. 3 BetrVG für Betriebsräte verankert worden.18 Dieser Gesetzesauslegung tritt der Ausschuss klar entgegen. Dazu bestand auch Anlass; denn es war von den behindertenpolitischen Sprechern der Koalitionsfraktionen angekündigt worden, einen Änderungsantrag mit dem Ziel einzubringen, eine § 23 Abs. 3 BetrVG entsprechende Rechtsgrundlage für die Antragsbefugnis der Schwerbehindertenvertretung zu schaffen. Darauf hat der Ausschuss in der Weise reagiert, dass er klarstellt, es bedürfe dieser Neuregelung nicht; denn es bestehe diese Antragsbefugnis bereits. In der Sache ist dem Ausschuss auch zuzustimmen; denn die die Antragsbefugnis verneinenden Instanzgerichte haben die Funktion von § 23 Abs. 3 BetrVG verkannt. Diese Norm schafft auch für den Betriebsrat keine neue prozessuale Rechtsgrundlage, sondern schränkt lediglich die sich sonst aus § 85 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 890 Abs. 1 ZPO ergebende weitergehende Antragsbefugnis ein. Für den Betriebsrat, der im Beschlussverfahren gegen seinen Arbeitgeber vorgeht, wird durch § 23 Abs. 3 BetrVG die Möglichkeit der Ordnungshaft ausgeschlossen und das Höchstmaß des Ordnungsgeldes auf 10.000 Euro begrenzt. Demgegenüber hat, wie schon die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Prüfbitte des Bundesrats ausgeführt hat19, die Schwerbehindertenvertretung das Recht, zur Erzwingung von Unterlassungen alle Ordnungsmittel aus § 890 ZPO, insbesondere die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis 250.000 Euro, zu beantragen. Rechtspolitisch ist diese im Verhältnis zu den Betriebsratsbefugnissen weitergehende Sanktionierung fragwürdig. Der Gesetzgeber hat jedoch sehenden Auges diese Unterschiede akzeptiert. Die Rechtsprechung muss diese gesetzgeberische Entscheidung beachten.

6. Freistellung

In § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB IX wird die Angabe des Schwellenwerts für die volle Freistellung von der beruflichen Tätigkeit für die Vertrauensperson mit „200“ durch die Angabe „100“ ersetzt. Damit hat die Vertrauensperson künftig einen Anspruch darauf, vollständig von der beruflichen Tätigkeit freigestellt zu werden, wenn der Betrieb oder die Dienststelle wenigstens 100 schwerbehinderte und gleichgestellte Beschäftigte zählt. Die Berücksichtigung der gleichgestellten Beschäftigten ergibt sich aus § 68 Abs. 3 SGB IX.

7. Schulung für Stellvertreter

In § 96 Abs. 4 Satz 4 SGB IX ist der Schulungsanspruch für Stellvertreter der Vertrauensperson wie folgt neugefasst worden: „Satz 3 gilt auch für das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied sowie in den Fällen des § 95 Abs. 1 Satz 5 auch jeweils für das mit der nächsthöheren Stimmenzahl gewählte weitere stellvertretende Mitglied.“

Hier ist die Rechtsstellung der stellvertretenden Mitglieder verbessert worden. Bislang wurde für deren Schulungsanspruch vorausgesetzt, dass entweder eine ständige Heranziehung stattfindet oder häufige Vertretung der Vertrauensperson auf längere Zeit oder das absehbare Nachrücken in das Amt vorliegen. Die Neuregelung räumt dem ersten Stellvertreter und allen herangezogenen Stellvertretern einen unbedingten Anspruch auf Teilnahme an den erforderlichen Schulungsveranstaltungen ein. Ergänzend ist in § 96 Abs. 8 Satz 2 SGB IX hinsichtlich der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für diese Schulungen klargestellt: „Das Gleiche gilt für die durch die Teilnahme der stellvertretenden Mitglieder an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nach Absatz 4 Satz 3 entstehenden Kosten.“

8. Aufwandsentschädigung

In § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX ist ein neuer Halbsatz (kenntlich gemacht durch Kursivsetzung) eingefügt worden: „Die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber; für öffentliche Arbeitgeber gelten die Kostenregelungen für Personalvertretungen entsprechend.“

Das bedeutet: Die Verordnung über die Höhe der Aufwandsentschädigung für vom Dienst freigestellte Personalvertretungsmitglieder vom 18. 07.197420 gilt auch zugunsten der freigestellten Vertrauenspersonen. Nach § 1 der VO beträgt die Aufwandsentschädigung für ganz von ihrer dienstlichen Tätigkeit freigestellte Mitglieder von Personalräten, Gesamtpersonalräten, Bezirkspersonalräten und Hauptpersonalräten 26 Euro monatlich.

9. Kostentragung für Bürokraft

Dem § 96 Abs. 8 Satz 1 SGB IX ist ein dritter Satz angefügt worden: „Satz 1 umfasst auch eine Bürokraft für die Schwerbehindertenvertretung in erforderlichem Umfang.“

Der neue Satz 3 gibt der Schwerbehindertenvertretung einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Unterstützung durch eine Bürokraft, sofern die Unterstützung erforderlich ist. Das wird in großen Betrieben und Dienststellen mit mehreren Hundert schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten regelmäßig der Fall sein. Zudem erfordern nach der Gesetzesbegründung die gestiegenen Anforderungen an die Schwerbehindertenvertretung auch eine bessere personelle Ausstattung mit Hilfspersonal.21

10. Wahlen zu Stufenvertretungen

In § 97 Abs. 7 SGB IX sind die Wörter angefügt: „§ 94 Abs. 6 mit der Maßgabe, dass bei den Wahlen zu überörtlichen Vertretungen der zweite Halbsatz des Satzes 3 nicht anzuwenden ist.“

Für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung in einem Betrieb oder in einer Dienststelle gilt nach § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX der sinnvolle Grundsatz, dass bei weit auseinanderliegenden Betriebsteilen oder Teilen einer Dienststelle stets und ohne Rücksicht auf die Zahl der Wahlberechtigten das vereinfachte Wahlverfahren nicht anwendbar ist. Für die Wahlen zu den Konzern-, Gesamt-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretungen ist dieser Grundsatz wenig sinnvoll. Die wahlberechtigten Vertrauenspersonen kommen regelmäßig aus Unternehmen oder Mittelbehörden, die räumlich weit auseinander liegen. Sie müssten bei Anwendung dieses Grundsatzes auch dann im förmlichen Verfahren unter Einsetzung eines dreiköpfigen Wahlvorstands wählen, selbst wenn nur drei Wahlberechtigte vorhanden sind. Diese übertriebene und unverhältnismäßige Kosten verursachende Bürokratie hat der Gesetzgeber des SGB IX nicht gewollt. Deshalb ist in § 22 Abs. 3 der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen22 durch den Gesetzgeber des SGB IX, der damals auch die Wahlordnung geändert hat, geregelt worden, dass die Wahl auf einer Versammlung der Vertrauenspersonen stattfinden kann. Die darauf gestützte gute Praxis in den Behörden und Unternehmen ist durch die Entscheidung des BAG vom 23.07.201423 beendet worden. Danach darf unter Anwendung des für örtliche Wahlen geltenden Grundsatzes die überörtliche Vertretung nicht im vereinfachten Wahlverfahren gewählt werden, wenn der Zuständigkeitsbereich der Oberbehörde, bei der die Wahl stattzufinden hat, räumlich weit auseinanderliegende nachgeordnete Dienststellen einschließt. Diese Entscheidung ist auf erhebliche Kritik gestoßen.24 Der Gesetzgeber hat diese Kritik aufgenommen. Er klärt für künftige Wahlen im Gesetz die Zulässigkeit der Inanspruchnahme der in § 22 Abs. 3 der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen geregelten Möglichkeit, auf einer Versammlung zu wählen, indem er für die Wahlen zu Stufen-, Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretungen die Anwendung des Kriteriums der räumlichen Nähe von Organisationseinheiten ausdrücklich ausschließt.

QUELLE