ROLLIBOARD.de

Wir brechen Barrieren
0172 / 581 23 09

Rollstuhl in der Disco

Als staatlich anerkanntes Feierschwein bekomme ich bezüglich der "Club- und Discothekenlandschaft" einiges zu sehen und zu hören, wenn es um das Thema "Rollstuhlfahrer in Discotheken" geht. Immer wieder lese ich im Internet von Fällen, bei denen ein Schwerbehinderter nicht reingelassen wurde oder es Diskussionen an der Tür gab, weil es aus Sicht der Betreiber zu "gefährlich" sei! Auf Grund dessen habe ich schon einige lange Gespräche mit Personen geführt in der Hoffnung, eine Antwort zu erhalten, doch irgendwie endete alles zwar im netten "Smalltalk" und man entwickelte eigene Ideen, wie es denn wohl "juristisch betrachtet" aussehen würde, aber wirklich "wissen" tat es keiner so richtig. Nun ist es aber auch wohl fraglich, ob das Tür-Personal, auf das man in den meisten Fällen als erstes trifft, wirklich weiß, wovon es spricht und so machte ich mich weiter auf die Suche.

Diverse Behindertenbeauftragte Personen mussten sich meine Geschichten anhören, doch während unserer netten Gespräche gab es leider auch hier anstatt einer fachlich kompetenten Antwort nur "Mutmaßungen" und auch wenn vieles davon Hand und Fuß für mich als Laie hatte, so blieb das ganze aber dennoch ungeklärt im Raum stehen, weil sich zuvor keiner wirklich mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat.

Das meine lieben Leserinnen und Leser kann ich ja nicht auf mir sitzen lassen und so schrieb ich vor einigen Wochen eine Mail an die einzige Stelle, die es wirklich wissen sollte: die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen!

Ehrlich gesagt dachte ich nach einer Woche, meine Mail sei entweder im Spam - Ordner untergegangen oder man würde sich mit einem derartigen Problem nicht rumschlagen wollen, doch "Gott sei Dank" irrte ich mich!

Nun zur Auflösung aller Fragen bezüglich eines Discothekenbesuches für einen Menschen mit Behinderung!


Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) regelt einen umfassenden Antidiskriminierungsschutz u. a. für Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung eine ungünstigere Behand­lung erfahren als Menschen in der gleichen Situation erfahren, erfahren haben oder erfahren würden, die nicht behindert sind (unmittelbare Benachteiligung, § 3 Abs. 1 AGG). Das Verbot der Ungleichbehandlung erstreckt sich auf die Rechtsgebiete Arbeitsmarkt/Berufsleben so­wie Massengeschäfte und private Versicherungsverträge.

Nach § 19 AGG sind behinderte Menschen bei den wesentlichen Geschäften des Alltags, so genannten Massengeschäften, vor Diskriminierungen geschützt. Massengeschäfte werden typischerweise ohne das Ansehen der Person begründet, durchgeführt oder beendet bzw. das Ansehen der Person hat eine nachrangige Bedeutung. Betroffen sind hier z.B. der Ein­zelhandel, Gastronomie, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxifahrten, Diskotheken, Museen, Theater und auch Internet-Geschäfte. Geschäfte, die Ähnlichkeit mit einem Mas­sengeschäft haben (Reiseverträge etc.), fallen ebenfalls unter den AGG-Schutz.

Eine Differenzierung ist nur zulässig, sofern sie gemäß § 20 AGG wegen eines sachlichen Grundes gerechtfertigt ist. Exemplarisch, jedoch nicht abschließend, nennt das Gesetz in den Nummern 1 bis 4 die wichtigsten Fallgruppen, die eine Ausnahme rechtfertigen können. So ist eine unterschiedliche Behandlung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AGG zulässig, wenn sie der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient. Zweck der Vorschrift ist vor allem die Notwendigkeit, bei Massengeschäften die Beachtung von Verkehrssicherungspflichten durchzusetzen. So kann es z. B. in Freizeitparks erforderlich sein, den Zugang zu Fahrgeschäften für Menschen mit einer körperlichen Behinderung zu beschränken oder aber auf einer Begleitperson zu bestehen. An dieser Stelle wird im Einzelfall immer eine Interessenabwägung notwendig werden, die dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt und die potentielle Gefahr dem begrün­deten Interesse des Konsumenten gegenüber abwägt. Andernfalls würde die Vorschrift ihrer Intention zuwider zu einer reinen Begründungspflicht für Ausnahmen degradiert.

Ein pauschaler Ausschluss von Rollstuhlnutzern vom Besuch einer Diskothek unter Hinweis auf Sicherheits- oder Brandschutzvorschriften ist daher nach hiesiger Auffassung nicht zulässig. Im Streitfall müsste dies gerichtlich geklärt werden. Da einschlägige Rechtsprechung hierzu noch nicht vorliegt, kann ich leider auch nicht auf ähnlich gelagerte Fälle verweisen.

Zivilrechtliche Ansprüche für Benachteiligte im Sinne des AGG ergeben sich aus § 21 AGG:

Nach § 21 Absatz 1 AGG hat der durch eine Diskriminierung Betroffene zunächst einen An­spruch auf Beseitigung und Unterlassung der diskriminierenden Maßnahme. Der Anspruch kann in tatsächlichem Handeln bestehen und beispielsweise darauf gerichtet sein, künftig die Verweigerung des Zugangs zu einem Geschäftslokal zu unterlassen.

Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Benachteiligte eine an­gemessene Entschädigung in Geld verlangen. Entschädigungszweck ist die Genugtuung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Ansprüche müssen gegenüber dem Benachteiligenden innerhalb von zwei Monaten nach der erfolgten Benachteiligung geltend gemacht werden, wobei hieran keine Formerfordernisse gestellt werden. Schriftform ist nicht gefordert. Es bedarf auch keiner rechtlichen Begründung oder Bezifferung, notwendig ist nur, dass der Anspruchsgegner erkennt, dass ein Anspruch aus einer Benachteiligung hergeleitet wird.

Zur rechtlichen Einzelfallberatung können Sie sich an einen Fachanwalt oder an einen Antidiskriminierungsverband wenden. Die hier bekannten Antidiskriminierungsverbände sind beispielsweise von den Internetportalen www.antidiskriminierung.org oder http://www.antidiskriminierungsstelle.de/bmfsfj/generator/ADS/Service/links.html abrufbar.

Da der Betrieb einer Diskothek gefahrenträchtig ist, haben die Diskothekenbetreiber in der Regel eine Betriebshaftpflichtversicherung, um sich bei Pflichtverletzungen gegenüber den Schadensersatzansprüchen Dritter zu schützen.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Bettina Freund

Referentin im Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen

Hausanschrift: Mauerstraße 53, 10117 Berlin Postanschrift: 11017 Berlin Telefon: 03018527-3840 E-Mail: Bettina.Freund@bmas.bund.de

An dieser Stelle bedanke ich mich recht herzlich bei

Verena Bentele und Frau Bettina Freund

für diese wirklich ausführliche und zufriedenstellende Antwort!